denn ich will euch Zukunft und Hoffnung geben.
Am Beginn des Vormittages des 10. Dezember 2021 verstarb unser Mitbruder Pater Joachim Schmiedl plötzlich und innerhalb weniger Minuten mitten im Kreis der Patres unserer Hausgemeinschaft im Provinzhaus der Schönstatt-Patres auf Berg Sion in Schönstatt.
So sehr wir dem barmherzigen und ewigen Gott vertrauen, dass er Menschen heimruft, wenn in seinen Augen die Stunde dafür gekommen ist, so macht uns die Situation doch immer noch sprachlos. Plötzlich, unerwartet, unbegreiflich und schmerzlich sind immer noch die Worte, die das Sterben von Pater Joachim für uns beschreiben.
Er hatte schon eine Zeit lang mit einer Erkältung und Husten zu kämpfen. Zunehmend spürte er auch Kurzatmigkeit, und Treppensteigen wurde ihm sehr beschwerlich. Am letzten Sonntag diagnostizierte ein herbeigerufener Arzt Bronchitis und verschrieb ihm die entsprechenden Medikamente. In den Tagen danach wurde es zwar nicht wirklich besser, aber Pater Joachim konnte seine üblichen Online-Konferenzen und -kontakte weiterführen.
Beim gemeinsamen Frühstück am Morgen des 10. Dezember hat er noch abgesprochen, wer ihn zu einem geplanten Arztbesuch am Vormittag bringen würde. Auf dem Weg vom Speisesaal zu seinem Zimmer ist er dann vor der Tür unserer Hauskapelle zusammengebrochen.
Auch wenn Pater Joachim schnell gefunden wurde und sofort ein Rettungshubschrauber und ein Notarzt herbeigerufen wurden, war es zu spät. Er war nach seinem Zusammenbruch nicht mehr ansprechbar; Puls und Atmung setzten schnell aus. Die Krankensalbung und Lossprechung konnten wir ihm noch zusprechen. Die Reanimationsversuche der Notärztin mussten nach einer Viertelstunde eingestellt werden. Das Herz-Kreislaufversagen war nicht mehr rückgängig zu machen.
Die Nachricht seines plötzlichen Sterbens wurde sehr schnell publiziert und hat in weiten Kreisen seines Kontaktfeldes große Bestürzung ausgelöst. Wir können diese Weite seiner Kontakte und Aufgaben, seiner Projekte und Interessenfelder, aus denen er so plötzlich herausgerissen wurde, noch gar nicht überblicken.
Wir schauen auf ein Leben, das bis zum letzten Moment von einer unermüdlichen Schaffenskraft geprägt war. In den letzten Jahren war der Kontakt zur Familie seines einzigen Bruders beständig gewachsen. Trauungen, Taufen und regelmäßige Feste gehörten ebenso dazu wie auch die Begräbnisfeiern der Eltern, die 2010 bzw. 2017 verstarben.
Joachim Schmiedl wurde als erstes Kind seiner Eltern Elisabeth und Franz Schmiedl am 18.10.1958 geboren. Vom ersten Wohnort Dietenhofen in der Nähe von Nürnberg ist die Familie 1964 nach Nürnberg-Eibach umgezogen. Das engagierte Mitleben in der Heimatgemeinde St. Walburga hat ihn selbst und seine Familie geprägt. Als Jugendlicher lernte er durch Pfarrer Josef Mayer, einen Schönstatt-Priester, und durch eine Jugendgruppe die Schönstatt-Bewegung kennen und motivierte auch seine Eltern dazu, in der Schönstatt-Bewegung mitzumachen.
Im Kindesalter habe er – so wird erzählt – Bauarbeiten in der Nachbarschaft beobachtet und mit dem Satz kommentiert: „Ich werde nicht Ingenieur, sondern gleich Maurer“. Dieser Berufswunsch änderte sich bald. Sein eigentliches Hobby und Interesse war das Lesen. Aber das Gestaltenwollen gehörte für ihn auch immer dazu. Später erzählte er von einem Besuch bei einem mit der Familie verbundenen Professor und wie sehr ihn die Menge an Büchern beeindruckte, die er in dessen Wohnung vorfand. Von da an war in ihm der Wunsch, Professor zu werden, lebendig. Sich Wissen anzueignen und selber schriftstellerisch tätig zu werden, gehörten für ihn immer zusammen.
In der Schönstatt-Jugendgruppe wurde er zum Chefredakteur und fleißigsten Autor einer eigenen Zeitschrift namens „Grundstein“, die den Aufbauvorgang der Schönstatt-Jugendgruppen in der Diözese Eichstätt begleitete.
Auch im Blick auf seine eigene Familiengeschichte war ihm das Nachforschen und Kennenwollen sehr wichtig. Sein Vater war ein Heimatvertriebener aus dem Sudetenland. Obwohl nach der Wende die Möglichkeit bestand, den Geburtsort seines Vaters zu besuchen und kennenzulernen, war das zunächst für seinen Vater nicht möglich. Er hatte mit einer schmerzlichen Vergangenheit abgeschlossen und wollte nicht daran rühren. Weil es jedoch Pater Joachim so wichtig war, die familiären Wurzeln kennenzulernen, kam es schließlich doch zu einer gemeinsamen Fahrt in die alte Heimat.
Aus dem Kennenlernen der Schönstatt-Bewegung, ihrer Zielsetzungen und ihrer Spiritualität, wuchs für Pater Joachim die persönliche Klarheit, dass der Eintritt in das Säkularinstitut der Schönstatt-Patres und die Nachfolge Jesu als Priester in dieser Gemeinschaft sein Berufungsweg ist. Er begann den Ausbildungsweg im Jahr 1977 mit einem Postulat und Auslandsaufenthalt in Irland als Vorbereitung auf die Internationalität des zukünftigen Lebens in dieser Gemeinschaft. Im Noviziat und Studentat waren dann auch Studenten aus verschiedenen Ländern Europas, Lateinamerikas und Afrikas zusammen.
Durch seine Gymnasialausbildung im neusprachlichen Zweig des Willstätter-Gymnasiums Nürnberg hatte er eine gute Vorbereitung auf die Internationalität unserer Gemeinschaft, und durch einen freiwilligen Zusatzkurs hatte er auch das Hebraicum und das Graecum erworben. Sehr zielstrebig ging er das Studium an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (1980 bis 1987) an mit allen Aspekten, die zum Philosophie- und Theologiestudium gehören. Neben den exegetischen Professoren Wilhelm Thüsing, Karl Kertelge und Erich Zenger, den Dogmatikern Karl Rahner, Herbert Vorgrimler und Peter Hünermann waren es vor allem die Kirchengeschichtsprofessoren Erwin Iserloh und Arnold Angenendt – sein späterer Doktorvater –, die ihn besonders beeindruckten und sein historisches Interesse förderten.
Direkt an sein Theologiediplom konnte sich eine Promotion bei Prof. Arnold Angenendt anschließen. Immer deutlicher rückte bei seinen historischen Forschungen das Zweite Vatikanische Konzil und seine Wirkungsgeschichte in den Fokus seines Interesses.
1998 erfolgte seine Habilitation an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und die Ernennung zum Privatdozenten. 1998 begann auch seine Dozententätigkeit für Kirchengeschichte an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar. Zu Beginn seiner theologischen Tätigkeit orientierte sich Pater Schmiedl „sehr streng an der reinen Lehre“, wie er es selber einmal ausdrückte, öffnete sich dann aber im Lauf der Zeit ganz stark den Bedürfnissen der Zeit und der Menschen. Seine breitgefächerte Aufmerksamkeit und die Vielfalt seiner Aufgaben sollen hier wenigstens in einigen Stichworten dargestellt werden:
Sein besonderer Forschungsschwerpunkt:
Das 2. Vatikanische Konzil und seine Rezeption
- in der deutschen Kirche (DFG Projekt 2009-2011)
- in der mitteleuropäischen katholischen Kirche: (DFK Projekt 2012-2014: Nationalsynoden)
- in der weltweiten Kirche (interkontinentales Projekt «Vatican II – Legacy and Mandate», Koordinator des Projektes, geplant ein mehrbändiges Werk in mehreren Sprachen)
Zeitschriften:
- Chefredakteur der Zeitschrift «Regnum» (2002-2021)
- Rezensionsteil der Zeitschrift «Ordenskorrespondenz» (2013-2021)
- Mitglied im Redaktionsteam von «Diakonia» (2014-2021)
Synodenteilnehmer:
- Delegierter beim Gesprächsprozess der deutschen Kirche (2012-2015)
- Synodale der Diözesansynode Trier (2012-2016)
- Delegierter beim Synodalen Weg (2020-2021)
Mitglied, Stellv. Vorsitzender und Vorsitzender von Gremien:
- Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Arbeitskreises für Mariologie (2002-2018)
- Stellvertretender Vorsitzender des katholisch-theologischen Fakultätentages (2015-2017)
und Vorsitzender (2017-2020) - Präsident der Deutschen Sektion der Europäischen Gesellschaft für kath. Theologie (2006-2015)
- Stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Mariologie (seit 2002)
- Studiendekan (2002-2009)
- Mitglied im Beirat der Görres-Gesellschaft (2006-2021)
- Mitglied der wissenschaftlichen Kommission für Zeitgeschichte (2013-2021)
- Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Pius-Parsch-Instituts Klosterneuburg (2012-2021)
Arbeit für Schönstatt:
- Vizepostulator im Seligsprechungsprozess für Josef Engling (seit 2003)
- Chefredakteur der Zeitschrift «Regnum» (2002-2021)
- Berater zu Fragen der Causa Kentenich
Priesterlicher Dienst:
So klar seine wissenschaftliche Perspektive auch war, so gehört zum ganzen Bild seiner Person und seines Wirkens auch sein vielfältiger pastoraler Dienst und sein freundschaftliches „Vernetzt-Sein“. Gerade seine positive, zuversichtliche Grundeinstellung und Freude an geselligem Zusammensein haben seine Begegnungen mit unterschiedlichsten Menschen bestimmt.
Engagiert und kontaktfreudig hat er sich in das pädagogische Praktikum nach drei Jahren Studium eingebracht, wie ebenso auch später als Diakon und Kaplan in die pastorale Praxis 1988-1990 in Oberndorf/Neckar, Diözese Rottenburg-Stuttgart. Bezeichnend für ihn ist, dass persönliche Kontakte aus dieser Zeit für ihn immer lebendig blieben.
Von 1990 bis 1998 wirkte er als Jugendseelsorger in der Schönstatt-Bewegung und von 2000 bis 2018 als geistlicher Assistent des Schönstatt-Institut Marienbrüder. Für Vertretungen und priesterliche Dienste stand er immer und mit großer Selbstverständlichkeit zur Verfügung.
Besonders bewegt haben uns in den vergangenen Tagen die Rückmeldungen von Studierenden, die ihn als kompetenten Lehrer und auch als frohen, herzlichen und freundschaftlich interessierten Begleiter erlebt haben.
Selbstverständlich gehörten Gebet, Wertschätzung eines persönlichen Lebens aus den Sakramenten und eine tiefe Marienliebe zu seiner Frömmigkeit.
Das biblische Wort des Propheten Jeremia „Ich habe Pläne des Heils, denn ich will euch Zukunft und Hoffnung geben.“ haben wir als Leitwort dieses Nachrufs gewählt, weil der Blick nach vorne ganz besonders das Leben und das Wirken von P. Joachim Schmiedl prägten. Er hatte ein großes gläubiges Vertrauen, das gerade wegen seines historischen Wissens besonders verbunden war mit einem zuversichtlichen Drängen auf Veränderung und Erneuerung hin.
Ein tiefer persönlicher Glaube war sein Fundament und gab ihm die Hoffnung auf eine ewige Vollendung, die all unsere Bemühungen unter einen leuchtenden Horizont stellt.
Mit ihm sind wir verbunden in diesem Glauben und in dieser gläubigen Zuversicht.
Schönstatt, Berg Sion, 15. Dezember 2020
P. Theo Breitinger
Provinzial
Wir feiern für ihn und mit ihm am Samstag, den 18. Dezember 2021 um 13.00 Uhr in der Pilgerkirche in Schönstatt die Eucharistie.
Der Gottesdienst wird auch online von www.schoenstatt-tv.de übertragen. Anschließend findet die Beisetzung auf dem Friedhof der Schönstatt-Patres auf Berg Sion statt.