Osterzeit 2023

Ja, die Wirklichkeit von Ostern gilt es zu feiern, immer wieder zu vergegenwärtigen, erfahren zu lernen; immer wieder in sich hinein zu lassen, im Innern zu spüren. Es gilt, wie Papst Franziskus sagt, „sich von der Macht der Auferstehung Jesu inspirieren zu lassen.“ Pater Kentenich spricht vom „österlichen Menschen“: „Wo Ostern richtig erfasst und verstanden wird, da formt es einen originellen christlichen Menschen … Ein österlicher Mensch ist ein froher Mensch, ein freier Mensch!“ Ostern gilt es am eigenen Leib zu erfahren. Denn: „Ostern kann nicht nur heißen: es gibt ein Leben nach dem Tod. Das klingt wie eine Vertröstung. Ostern muss heißen: Das Leben hier wandelt sich …“ (Jürgen Moltmann). Ostern muss heißen: Ich sterbe hier nicht nur viele Tode – den Tod der Beziehungslosigkeit, der Ablehnung und der Enttäuschungen, sondern ich kann aus diesen Toden auch wieder aufstehen. Ostern muss heißen: Hier und jetzt kann etwas aufblühen in meinem dürren und eintönigen Leben. Hier und jetzt erlebe ich, dass Steine weggewälzt werden von den Gräbern meiner Angst, meiner Einsamkeit, meiner Resignation. Hier und jetzt kann ich aufatmen, frei werden und neu anfangen.

In seinem Sammelband ‚Sternstunden der Menschheit’ erzählt der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig (1881–1942) von solchen Ostererfahrungen im Leben Georg Friedrich Händels. Nach einem Schlaganfall kann Händel nicht mehr gehen, sprechen und schreiben: „Es war ein Frost in den Gliedern, eine grausige Starre, die Sehnen, die Muskeln gehorchten ihm nicht mehr; der einst riesige Mann fühlte sich hilflos eingemauert in ein unsichtbares Grab.“ Die Ärzte hatten ihn schon aufgegeben, aber in den heißen Bädern der Kurstadt Aachen geschieht das Wunder: Händel ist geheilt. Am Tag seiner Abreise geht er in eine Kirche, steigt mühelos die Treppe zur Empore hinauf und beginnt auf der Orgel zu improvisieren: „Unten lauschten namenlos die Nonnen und die Frommen. So hatten sie niemals einen Irdischen spielen gehört. Und Händel, das Haupt demütig geneigt, spielte und spielte. Er hatte wieder seine Sprache gefunden, mit der er redete zu Gott, zur Ewigkeit und zu den Menschen … ‚Aus dem Hades bin ich zurückgekehrt’, sagte er stolz …“ Wieder in London, schreibt er großartige Opern und Oratorien – doch der Erfolg bleibt aus. Er fühlt sich müde und resigniert: „Wozu, seufzt er auf, hat Gott mich auferstehen lassen aus meiner Krankheit, wenn die Menschen mich wieder begraben?“ Er irrt durch London und kann sein Leben nicht mehr ertragen. Keine Melodien fallen ihm mehr ein. Da findet er plötzlich auf seinem Schreibtisch ein Paket, das ihm der Dichter Charles Jennens geschickt hatte – die Texte zum ‚Messias’. Schon beim ersten Lesen hört Händel die Worte als Musik. Drei Wochen schließt er sich ein, komponiert Tag

und Nacht – und präsentiert dann seinem staunenden Arzt Dr. Jenkins die schönsten Chöre und Arien. Die Uraufführung in Dublin wird ein grandioser Erfolg: „Die Schleuse hatte sich geöffnet. Nun strömte durch Jahre und Jahre wieder der klingende Strom. Nichts vermochte von jetzt ab Händel zu beugen, nichts den Auferstandenen wieder niederzuzwingen.“

Ostern muss heißen: Das Leben hier wandelt sich. Georg Friedrich Händel hat es am eigenen Leib und an der eigenen Seele erfahren. Zweimal ist er auferstanden aus dem Grab eines leb-losen Körpers und aus dem Grab einer tiefen Depression. Stefan Zweig hat Händels Ostererfahrungen mitreißend und anschaulich erzählt – nicht nur, um Geschichte lebendig zu halten, sondern auch, um uns zu fragen: Welche kleinen und leisen Osterfeste gibt es in deinem Leben? Wann sagst du: Ja, ich will aufstehen aus dem Grab meiner Niederlagen und Verletzungen? Wann gibst du Gott die Chance, dein Leben zu verwandeln?

Pater Kentenich sagt: „Der österliche Mensch, das ist der Mensch, der mit Christus und in Christus auferstanden ist und der ewigen Herrlichkeit, der Verklärung zusteuert. Das ist der Mensch, der im Licht des Glaubens das Ostergeheimnis in seiner Ganzheit tief erfasst und im Alltag zu verwirklichen trachtet …“ Christus selbst führt Ostern in mir herbei; bewirkt Ostern in einem Menschen wie Georg Friedrich Händel … Er durfte, konnte spüren, wie neues und frisches Leben in ihn hineinströmte. Ostern macht Unverständliches und Unerträgliches zur Hoffnung und Freude! Wie heißt es in einem Lied: „Manchmal feiern wir mitten im Tag ein Fest der Auferstehung. Stunden werden eingeschmolzen und ein Glück ist da. Sätze werden aufgebrochen und ein Lied ist da; Waffen werden umgeschmiedet und ein Friede ist da; Sperren werden übersprungen und ein Geist ist da! Manchmal feiern wir mitten im Tag, im Tun … ein Fest der Auferstehung!“

Ostern geschieht mitten im Tag, in Momenten von Tod und Auferstehung, in Momenten von Alleinsein und resignieren wollen, in Momenten von ‚wie wird es weitergehen?’ und Enttäu-schungen … Ostern geschieht! Leise und manchmal fast kaum wahrnehmbar – aber doch unwiderstehlich …

Vom Berg Sion aus Ihnen ein herzlicher und froher Ostergruß;

österliche - Sie ganz erfassende - Ostertage;

dankbar, Ihr

Pater Michael Czysch

 


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