Was macht eigentlich ein Professor?

Manchmal werde ich von meinen Mitbrüdern mit den Worten verabschiedet: „Na, gehst Du wieder zur Vorlesung?“ Ich antworte nicht jedes Mal, denn Vorlesungen gehören zwar zum Kerngeschäft eines Universitätsprofessors, nehmen aber nicht die meiste Zeit ein.

Seit ich im Mai 1998 meine Habilitation an der Universität Münster abgeschlossen habe, bin ich an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Vallendar-Schönstatt tätig. In diesen knapp 20 Jahren hat sich vieles verändert: von der Ordenshochschule der Pallottiner zur „Universität im Grünen“ mit zwei Fakultäten (Theologie und Pflegewissenschaft) und einem guten Renommee in der Fachcommunity. Ich durfte an diesem Prozess mitgestalten, sieben Jahre als Studiendekan und dreieinhalb Jahre als Dekan der Theologischen Fakultät.

Mein Fach ist die „Mittlere und Neue Kirchengeschichte“, grob ausgedrückt: von der Völkerwanderung bis gestern. Im Laufe der Jahre bilden sich natürlich Schwerpunkte heraus. Bei mir ist einer davon die Ordensgeschichte, besonders der letzten zwei Jahrhunderte. Die Vernetzung mit anderen Kolleginnen und Kollegen geschieht über den „Arbeitskreis Ordensgeschichte 19./20. Jahrhundert“, den ich mit Gisela Fleckenstein ins Leben gerufen habe und der nun schon 17 Mal getagt hat. Auch die Ordenstheologie gehört dazu, mit regelmäßigen Symposien. Und schließlich ist noch das Pallotti-Institut dem „Institut für Theologie und Geschichte religiöser Gemeinschaften“ angegliedert.

Ein zweiter Schwerpunkt ist das „Zweite Vatikanische Konzil und seine Geschichte“. Hier arbeite ich seit über 20 Jahren mit Wissenschaftlern aus der ganzen Welt zusammen. Zurzeit planen wir ein internationales Großprojekt, das mich die nächsten Jahre ziemlich herausfordern wird. Für das Konzil ist nicht nur sein Ablauf, sondern auch die Nachgeschichte interessant. In Deutschland waren die Würzburger und die Dresdener Synode wichtige Meilensteine. Ein Projekt mit Kollegen aus Österreich, der Schweiz und den Niederlanden steht mit dem fünften Band, der daraus entstanden ist, kurz vor dem Abschluss. Für mich war es ein besonderes Geschenk, dass ich in einer Phase, in der Synoden mein wissenschaftliches Tun prägten, in der Trierer Diözesansynode aktiv mitarbeiten durfte. Von der Vorbereitungskommission bis zur Redaktionskommission des Schlussdokuments, aber auch in einer Sachkommission und den Vollversammlungen durfte ich lernen, wie Synode „geht“ und dass sie wirklich „geht“.

Wissenschaft findet heute nicht mehr im beschaulichen Studierzimmer allein statt, sondern in Zusammenschlüssen, auf Tagungen und Konferenzen. Mittendrin im theologischen Aufbruch Europas war ich neun Jahre lang Vorsitzender der deutschen Sektion der „Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie“. Jetzt bin ich für drei Jahre Vorsitzender des „Katholisch-Theologischen Fakultätentags“ und mittendrin in der hochschulpolitischen Koordinierung der Theologischen Fakultäten in einer Umbruchszeit.

„Na, gehst Du wieder zur Vorlesung?“ Ja, gerne, denn es macht Freude, sich immer wieder auf die Fragen neuer Studierendengenerationen einzulassen, sich von ihnen herausfordern zu lassen und das eigene Denken und Sprechen auf die jeweiligen „Zeichen der Zeit“ hin zu justieren.

Pater Joachim Schmiedl

 

Weitere Berichte im Brief vom Berg Sion - Ostern 2017


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