Von der Faszination der Berufung

Zu den besonderen Momenten im Leben unserer Gemeinschaft gehört für mich, wenn wir im Gespräch unter Mitbrüdern auf die Erfahrung der Berufung und der dahinterstehenden Geschichten kommen. Jedes Mal, wenn es dazu kommt, wird es ganz persönlich. Es ist zu spüren, wie der, der erzählt, ganz vital an seine inneren Quellen kommt.

Berufung fasziniert. Das wird mir in solchen Augenblicken besonders bewusst. Berufungserfahrungen umfassen den ganzen Menschen. Sie sind urpersönlich und gehen tief.

In diesem Jahr lädt uns die Kirche dazu ein, dem Thema Berufung besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Diese Einladung steht im Zusammenhang mit der sogenannten Jugendsynode im Herbst. Die Beratungen der Bischöfe und der bereits begonnene Vorbereitungsprozess stehen unter dem Titel „Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsunterscheidung“.

Anders als man vielleicht vermuten könnte, geht es bei dem Stichwort Berufung in diesem Zusammenhang nicht um eine Kampagne, um die seltener gewordenen Entscheidungen zum Priestertum und zum geweihten Leben anzukurbeln. Vielmehr macht das Vorbereitungsdokument zur Synode deutlich, dass es darum gehen muss, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass jeder Mensch „zur Liebe und zum Leben in Fülle“ berufen ist. Das kann gerade für junge Menschen eine Botschaft sein, die dem Glauben Tiefe gibt, weil er als bedeutungsvoll für das eigene Leben erfahren wird: Gott hat einen Plan mit mir und meinem Leben. Ihn zu erkennen und zu entfalten bedeutet, das Leben in der Perspektive eines „Mehr“ zu verstehen. Es ist die Einladung, eine tiefere Freude und Fülle für sich zu entdecken.

In diesem Prozess des Entdeckens sind oft Andere wichtig, die zuhören, verstehen und ermutigen. Solche Menschen, die uns helfen, dem leisen Rufen und Werben Gottes in unserem Leben zu trauen, sind wie Eli, der dem jungen Samuel rät, das Sprechen Gottes ernst zu nehmen und zu antworten: „Rede, HERR; denn dein Diener hört.“ (1 Sam 3,9)

Diese Bitte an Gott ist in diesem Jahr in das Jahresgebet unserer Provinz eingegangen. Sie erinnert uns daran, selbst wie Eli zu sein, der die Faszination der Berufung kennt, aus ihren Quellen lebt und so den jungen Menschen ermutigen kann, aufmerksam zu sein, was Gott mit ihm vorhat.

Wir möchten Sie einladen, mit uns dafür zu beten, dass – vielleicht auch angestoßen durch unser Zeugnis – viele junge Menschen mit der Faszination der Berufung in Berührung kommen und sich so selbst auf den Weg machen, ihre eigene Berufung zur Liebe und zum Leben in Fülle zu entdecken.

Pater Frank Riedel

 

Weitere Berichte im Brief vom Berg Sion - Ostern 2018


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