Ein Leben für Schönstatt und Berg Sion

Im hohen Alter von 96 Jahren wurde P. Bodo-Maria Erhard am Abend des 3. Adventssonntags, dem 13. Dezember 2020, von Gott heimgerufen in den ewigen Sion. In den zurückliegenden Wochen konnte man deutlich wahrnehmen, wie die geistigen und physischen Kräfte unseres Mitbruders zunehmend nachließen. Nach zweimaligem kürzerem Krankenhausaufenthalt wurde er auf der Krankenstation im Provinzhaus auf Berg Sion vom palliativmedizinischen ambulanten Dienst konstant begleitet und betreut und auch von den Mitbrüdern im Provinzhaus mit großer Hingabe umsorgt. Begleitet von einigen Mitbrüdern durfte er nun auch sein Leben in die Hände des himmlischen Vaters zurückgeben.

Bodo Erhard wuchs glücklich als drittes Kind unter fünf Geschwistern in Bad Schwalbach im Taunus auf. Geboren wurde er am Samstag, dem 5. April 1924. Seine Eltern Carl (1881 – 1956) und Maria (1889 – 1972) boten den Kindern ein wohlgeordnetes, aktiv katholisches Elternhaus.

Von Kindheit an zog es Bodo immer zu höchsten Idealen, er wollte schon früh Missionar werden. Da die Pallottiner von Limburg in der Gegend bekannt waren, ließ er sich mit 10 Jahren in deren Nachwuchsschule nach Schönstatt Haus Wasserburg bringen. Sein Aufenthalt dort (Ostern bis Sommer 1934) war jedoch nicht mehr als eine kurze Episode, bei der er Schönstatt nicht eigentlich wahrnahm, mit Ausnahme des Spirituals P. Franz Bezler und der Marienkapelle. Die weitere Schulzeit verbrachte er zu Hause, 1935 bis 1937 in der Klosterschule Marienstatt und dann auf dem Gymnasium in Wiesbaden, wo er 1942 mit dem Abitur abschloss. Sofort wurde er zum Militär einberufen. Unter dem Einfluss des Welteroberungstriebes der Jugendjahre und seiner naturwissenschaftlichen Begabung verblassten religiöse Ziele. Die Chancen der Militärzeit wollte er bewusst ausnutzen, weshalb er das Angebot zur Pilotenausbildung ergriff, ohne dass diese zu Kampfeinsätzen führte. Sein höchstes Ziel in dieser Zeit war die Eroberung und Erforschung des Weltraumes. Die letzten Monate des Krieges arbeitete er als Deserteur in Bayern, versteckt auf einem Bauernhof.

Die historische Schuld Deutschlands und das Ausbleiben einer tiefgreifenden Umkehr erzeugten nach Kriegsende in ihm die notvolle Frage, ob unser Volk nicht so versagt habe, dass es von Gott gänzlich verworfen sei. In dieser inneren Situation stieß er nach seiner Entlassung durch die Amerikaner (ausgerechnet am Marienfesttag 15. August 1945 – marianische Festtage hatten in seinem Leben häufig eine Bedeutung!) erneut auf Schönstatt. Er konnte mehrfach den Gründer P. Kentenich in Vorträgen hören, doch wurde er von ihm nicht angezogen; ohne die Vermittlung durch P. Alex Menningen mit seiner ganz anderen Art hätte er keinen Zugang zu Schönstatt gefunden. Die Frage nach dem Priesterberuf wurde zwar wach, doch hegte er bis 1957 mehr den Wunsch, in einer katholischen Ehe den Weg zum neu gegründeten Familienverband zu suchen. Im Oktober 1957 entschied er sich bewusst, seinen Laienberuf aufzugeben und das Priestertum anzustreben.

Sofort nach dem Krieg begann er 1946 mit dem Studium der Mathematik und Physik in Darmstadt, das er 1951 als Diplom-Physiker abschloss. Es schlossen sich sofort berufliche Tätigkeiten bei der Firma Siemens in Heidenheim, Berlin und München an; dort engagierte er sich bis zu seinem Ausscheiden auch im Betriebsrat. Daneben wirkte er aktiv in der politischen Arbeit der CSU mit.

Als er nach dem Krieg Schönstatt begegnete, beließ er es nicht bei einer passiven Mitgliedschaft, sondern sammelte an allen Orten Gleichgesinnte um sich. Als Student in Darmstadt wurde er Mitgründer der Katholischen Studentenverbindung und auch einer Schönstätter Studentengruppe. 1948 fand er zum Jungmännerbund Schönstatts, dessen Bundesführer er dann nach seiner Bundesweihe (1951) in den Jahre 1954 bis 1960 wurde.

Einsätze für den Aufbau Schönstatts betrieb er überall mit Leidenschaft. 1954 war er in München maßgeblich beteiligt bei der Gründung eines Schönstätter Leitungskreises für die Schönstattbewegung und zielte sofort den Bau eines Heiligtums und Schönstattzentrums an. Nach seiner Entscheidung für den Weg zum Priestertum zog er zum Studium der Theologie in das Münchner Priesterseminar ein. In einer persönlichen Weihe an die Gottesmutter am 20.11.1958 verpfändete er sich auch für das Werden eines Heiligtums in München, und am selben Tag traf unerwartet die Baugenehmigung für ein solches ein. Bis zum Ende seines Lebens wusste er sich für dieses sein Lieblingswerk verantwortlich und prägte es auch durch eine besondere Verehrung der kleinen heiligen Theresia von Lisieux, die er schon 1947 für sich persönlich als Leitideal besonders entdeckt hatte.

Nach 1956 war in den informierten Kreisen die Notwendigkeit der Gründung einer neuen Patresgemeinschaft an Stelle der Pallottiner bewusst klar. 1959 entschied er sich dafür, den Weg zum Diözesanpriester der Diözese München nicht weiter zu verfolgen, sondern sich aktiv den Vorbereitungen für eine Neugründung anzuschließen. 1961 beendete er sein Theologiestudium und trat aus dem Priesterseminar Münchens aus. Im Zuge der Vorbereitung auf die Neugründung führte ihn sein Weg 1963 mit anderen Kandidaten zusammen zu einer Schulungszeit nach Milwaukee, wo er Pater Kentenich persönlich intensiver kennenlernte und von diesem auch bald wegen seiner Lebenserfahrung für spätere Leitungsaufgaben im neuen Institut gewonnen werden konnte.

Die Priesterweihe erhielt P. Bodo-M. Erhard am 8. September 1964 in Argentinien durch Handauflegung des Erzbischofs Antonio Plaza. Von da an war er praktisch jahrelang in Leitungsaufgaben der neuen Gemeinschaft der Schönstatt-Patres tätig, bis er nach dem Ausscheiden aus seinen Ämtern 1999 in eine Filiale nach Essen zog. Von 1965 bis 1974 bekleidete er das höchste Amt der Gemeinschaft als deren erster Generalsuperior.

In diese Zeit fiel vor allem auch die Entstehung und der Aufbau von „Berg Sion“, der Heimat der Schönstatt-Patres, bei dem Pater Erhard wesentlichen Anteil hatte, angefangen vom Landerwerb über die Namensgebung des Berges Sion bis zum Bau des Heiligtums und der verschiedenen Häuser der Patresgemeinschaft. Er setzte sich in seiner Amtszeit und darüber hinaus auch sehr für die Gründung einer Anbetungsgemeinschaft auf dem Berg Sion ein und förderte auf diese Weise die geistliche Grundlage und den nötigen Tiefgang für unsere stark apostolisch orientierte Priestergemeinschaft. Im Anschluss an seine Amtszeit als Generaloberer stand er für weitere zwölf Jahre von 1974 - 1986 als Provinzoberer der Sion-Provinz im Dienst der Gemeinschaft. In den letzten Jahren, seit 2004, gehörte Pater Erhard zur Filiale der Patres im Anbetungshaus auf Berg Sion und beteiligte sich sehr am Gebetsdienst unserer Mitbrüder im Sionsheiligtum.

Pater Erhard zeichnete sich in seinen Leitungsaufgaben durch einen betonten Gerechtigkeitssinn aus. Er bewältigte den Spagat zwischen widerstrebenden Tendenzen in ihm selbst und innerhalb der komplizierten Neuwerdung einer internationalen Patresgemeinschaft. Er trieb intensiv den internationalen Aufbau dieser Gemeinschaft voran, obwohl ihm von Natur und Lebenserfahrung aus seine deutsche Heimat am meisten am Herzen lag. Er sah die Notwendigkeiten der Personalplanung international und scheute nicht vor Entscheidungen zurück, und dennoch nahm er Rücksicht auf die individuellen Charismen der einzelnen Mitbrüder. Er stellte sich eindeutig auf den Boden der authentischen Schönstätter Spiritualität und versuchte privat, seine persönliche Vorliebe für alle außergewöhnlichen Marienerscheinungen damit in Einklang zu bringen. Er kannte sich in den pragmatischen wirtschaftlichen Zwängen einer armen Gemeinschaft aus und versuchte dies in Einklang zu bringen mit seinem ausgeprägten Wagemut, der vom Motto geleitet wurde: Mehr wagen als von den sachlichen Voraussetzungen her angezeigt ist!

Die Jahre seiner Verpflichtungen in Leitungsaufgaben ermöglichten ihm sehr wenig Betätigung in typisch priesterlichen Funktionen. So ist verständlich, dass er es von seiner Versetzung an nach Essen in eine kleine Filiale, und nach 2004 zurück nach Schönstatt in das Haus der Anbetung sichtlich genoss, priesterliche Dienste im Beichtstuhl und am Altar auszuüben. Und darüber hinaus setzte er bis kurz vor seinem Tod seine praktischen Fertigkeiten in den kleinen Sorgen der Haushaltsführung in Küche und Garten ein.

Wir Schönstatt-Patres verlieren mit P. Bodo-Maria Erhard einerseits eine der markantesten Persönlichkeiten unserer Gründungsgeschichte, andererseits sind wir sehr stolz, einen solchen profilierten Mitbruder in unseren Reihen erlebt zu haben.

Möge er nun in der Begegnung mit dem himmlischen Vater Leben in Fülle im ewigen Licht finden.

 

Schönstatt, Berg Sion, 14. Dezember 2020

Pater Theo Breitinger

Provinzial


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